Ein Tool zur selbstständigen Erstellung von Mappings entwickeln: die pädagogische und künstlerische Herausforderung von Zohra Mrad und Damiano Picci

Von Ende 2024 bis Mitte 2025 absolvierte das luxemburgische Künstlerduo Zohra Mrad und Damiano Picci die grenzüberschreitende und von den Rotondes, Bliiida und der Stadt Metz organisierte Residenz, um ihr Projekt voranzubringen: die Entwicklung eines autonomen Mapping-Tools, das von jedermann genutzt werden kann. Sie nutzten die vierwöchige Residenz und zahlreiche Begegnungen mit Luxemburger und Metzer Publikum, um aus dem Prototyp ein ausgereiftes Tool zu entwickeln, das als Medium für die Kreation und Vermittlung digitaler Kunst dienen soll.

Zohra Mrad und Damiano Picci

Die beiden luxemburgischen Künstler Zohra Mrad, multidisziplinäre Künstlerin und Interaktionsdesignerin, und Damiano Picci, Komponist und Produzent,

haben sich zum Ziel gesetzt, ihre digitalen Kreationen einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Vor diesem Hintergrund haben sie sich im Sommer 2024 für eine vierwöchige grenzüberschreitende Residenz für digitale Kunst beworben. Die von den Partnern des GRACE-Projekts ausgeschriebene Residenz fand schließlich von Dezember bis April in Luxemburg und Metz statt.

Zohra Mrad ist multidisziplinäre Künstlerin, Kuratorin und Designerin. Während ihrer Ausbildung an der École des Gobelins in Paris verfasste sie eine Abschlussarbeit über Inklusion im Webdesign und darüber, wie man an inklusiveren Interaktionsdesigns arbeiten kann. Weitere Informationen (auf Englisch): https://www.mradzo.com/inclusion#Projects_memoire_intro

Damiano Picci ist ein Komponist mit einer Leidenschaft für Musik und Informatik. Diese bringt er in seinen Kompositionen für Tanz, Theater und immersive Installationen ein, bei denen er interaktive musikalische künstliche Intelligenz und generative Musiksysteme einsetzt. Weitere Informationen (auf Englisch): https://www.sacem.lu/media/1b5a3467-a9f4-4848-a1a1-6220333fbcfc/picci-damiano.pdf

My First AV

Vorstellung des Blurb ©Zohra Mrad / Damaiano Picci

Das Projekt _​First A/V hatte zum Ziel, ein tragbares Gerät zu entwickeln, mit dem Mappings erstellt werden können. BLURB, so der Name des Geräts, besteht aus recyceltem Holz, gebrauchten Computerteilen und ist mit lizenzfreier Software ausgestattet. Das Gerät ist für ein breites Publikum aller Altersgruppen konzipiert, unabhängig von dessen Kenntnissen und Fähigkeiten in den Bereichen Ton, Bild und digitale Kunst.

Dieses Projekt war eines von zwei Projekten, die im Rahmen der Ausschreibung für die grenzüberschreitende Residenz von Rotondes und Bliiida ausgewählt wurden. Finanziert wurde die Residenz von der Stadt Metz, der Europäischen Union im Rahmen des GRACE-Projekts Interreg und dem Multiplica-Stipendium der Fondation PwC Luxembourg.

Insgesamt konnten Zohra und Damiano zwischen Dezember 2024 und Juni 2025 das Tool 150 Personen vorstellen und testen lassen, darunter Fachleute und Laien, Kinder und Erwachsene.

Der erste Teil der Residenz in den Rotondes – Dezember 2024 und Februar 2025

Die Künstler, die den ersten Teil ihrer Residenz im Dezember und Februar in den Rotondes absolvierten, nutzten die ihnen zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten, um schneller voranzukommen und ihre neuen Ideen unter realen Bedingungen zu testen.

©Eric Engels

©Eric Engels

Dieser erste Teil der Residenz ermöglichte es Zohra und Damiano auch, einen Prototyp ihres Geräts zu entwickeln und an den visuellen und akustischen Aspekten ihres Projekts zu arbeiten. Sie führten erste Nutzertests durch: Rund 30 Freiwillige mit unterschiedlichen Kenntnissen im Bereich digitale Kunst und digitale Kreativtools probierten das Tool 10 Minuten lang aus und beantworteten anschließend einige Fragen von Zohra, die wieder als Designerin und UX-Designerin tätig war. Dieses vielfältige Feedback veranlasste Zohra und Damiano, die Benutzeroberfläche von BLURB zu überarbeiten, insbesondere die Beschriftung der verschiedenen Schaltflächen der Konsole, und die in BLURB integrierte Design-Software zu überarbeiten und möglichst unauffällig zu machen.

Weitere Informationen:

  • Lesen Sie den Bericht über die Residenz (auf Französisch) im Dezember in den Rotondes.
  • Lesen Sie das gemeinsame Interview mit Zohra und Damiano (auf Französisch) in den Rotondes.

 

 

Die Veranstaltung „Rotondes Multiplica Lab“, die am 22. und 23. Februar 2025 stattfand, bot Gelegenheit, eine neue Version des Geräts vorzustellen und neue mündliche und schriftliche Erfahrungsberichte zu sammeln (über ein Formular, das über einen QR-Code zugänglich war) von etwa dreißig Personen aus dem Kultur- und Kunstbereich aus Luxemburg und dem Ausland sowie von etwa hundert Personen aus der breiten Öffentlichkeit gesammelt werden.

Der Tag der Präsentation des Work in Progress am 22. Februar im Multiplica Lab ermöglichte es uns, direkt mit verschiedenen Interessierten in Kontakt zu treten und ihre Erwartungen, Reaktionen, ihre Nutzung und ihre Wünsche zu beobachten. Angesichts des großen Andrangs an diesem Tag konnten wir neue Nutzungstrends beobachten, aber auch die Entstehung kurzer Kooperationsräume zwischen verschiedenen Unbekannten. Der Austausch mit den Teilnehmenden nach ihrer Erfahrung hat uns gezeigt, welche Parameter überarbeitet und welche anders formuliert werden müssen. Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass die Präsentation von _First A/V vor dem Live-A/V-Programm des Festivals vielen Zuschauern einen neuen Blickwinkel auf immersive Performances eröffnet hat, als hätten sie damit einen Zugang zu neuen künstlerischen Ausdrucksformen der digitalen Kunst gefunden.

– Zohra Mrad und Damiano Picci

Der zweite Teil der Residenz im Bliiida in Metz

Vom 17. bis 30. April nutzten Zohra und Damiano ihre Residenz bei Bliiida und die Nähe zur Laserschneidemaschine des MIDO, dem Fablab vom Bliiida, um das endgültige Gehäuse des Geräts herzustellen. Auch die Codierung der Software wurde optimiert. Sie haben mehrere Workshops mit verschiedenen Gruppen, Kindern und Erwachsenen, durchgeführt, um ihnen BLURB vorzustellen und sie bei der Erstellung ihrer eigenen digitalen audiovisuellen Performance – also ihrem eigenen Mapping – allein oder in der Gruppe zu begleiten.

Live-Mapping für Kinder

Am Mittwoch, den 23. April, empfingen Zohra und Damiano zwei Gruppen mit jeweils zehn Kindern im Alter von 8 bis 13 Jahren aus den Metzer Freizeitzentren „Du côté des loisirs” und „Arc-en-Ciel”. Um ihnen ihre Arbeit zu erklären und ihnen die digitale Kunst näherzubringen, stellten Damiano und Zohra zunächst einige spielerische Fragen: „Wart ihr schon einmal auf einem Konzert?“, „Habt ihr bei diesen Konzerten neben der Musik noch andere visuelle Elemente wie beispielsweise die Bühnenkulisse bemerkt?“ Diese Fragen ermöglichten es den Kindern, den Zusammenhang zwischen Ton und Bild besser zu verstehen.

Anschließend zeigte Damiano ein Video von einem Tonstudio, um die verschiedenen Elemente zu veranschaulichen, die für Tonaufnahmen erforderlich sind. Zudem erklärte er seine Arbeit, die gelegentlich auch das Aufnehmen von Geräuschen umfasst, und führte anschließend gemeinsam mit Zohra eine unterhaltsame Demonstration von Schrittgeräuschen vor. Anschließend stellten sie Musikinstrumente wie die Kalimba vor, um die Vielfalt der Klänge zu veranschaulichen.

Anschließend erklärte Damiano die Funktionsweise eines Videoprojektors, einem zentralen Bestandteil ihrer Ausrüstung. Sie wiesen auch auf die Bedeutung visueller Effekte bei Veranstaltungen wie dem Musikfestival Tomorrowland hin, bei dem Licht und Bilder eine ebenso wichtige Rolle spielen wie die Musik. Ein weiteres Beispiel waren die Fotos der Projektion auf die Kathedrale von Metz während des internationalen Festivals „Constellations de Metz“.

Zohra übernahm und erklärte ihre Rolle bei diesem Projekt, die in der Erstellung und anschließenden Bearbeitung von Videos besteht. Gemeinsam präsentierten sie den BLURB, der auch den Spitznamen Wall-e trägt. Das Gerät besteht aus Elementen, die den Organen eines menschlichen Körpers ähneln: einem Ohr (dem Mikrofon), einem Auge (der Kamera) und einem Gehirn (der Software, die Codes und „Patches” zur Verbindung der Ton- und Bildeffekte speichert).

Anschließend teilten sich die Kinder in drei Gruppen auf: eine für den Sound, eine für die visuellen Effekte und eine Gruppe von „Technikern“, die sich mit der Funktionsweise des Tools vertraut machten.

Die für den Sound zuständige Gruppe probierte zunächst verschiedene Instrumente aus, darunter Kalimbas, Pauken, Klangfrösche, Maracas und Glockenstäbe. Die Kinder konnten bis zu acht Sounds von jeweils acht Sekunden Länge aufnehmen. Sie legten die Abfolge fest, in der die einzelnen Instrumente gespielt werden, um daraus eine gemeinsame Komposition entstehen zu lassen.

Visuell haben die Kinder Tiere gezeichnet, die sie anschließend mit der Kamera gefilmt haben. Mit dem BLURB konnten sie ihren Zeichnungen visuelle Effekte wie Spiegelungen oder Pixelierung hinzufügen. Nachdem sie ihre Inhalte vorbereitet hatten, begaben sich die Kinder mit den Technikern zur Maschine, um das Mapping live umzusetzen und ihre Klang- und Bildkreationen anzuwenden.

Tests mit erwachsenen Personen

Am Donnerstag, den 24. April um 17 Uhr empfingen Zohra und Damiano in ihrem Atelier 11 Vertreter der Stadt Metz und des Gemeindeverbands Eurométropole Metz, um ihnen das BLURB-Tool vorzustellen und es testen zu lassen. Andere Residenten und Mitarbeiter von Bliiida kamen während der gesamten Dauer der Residenz vorbei, um das Tool kennenzulernen und ihr eigenes Mini-Mapping zu erstellen. Dieser Austausch in kleiner Runde und in lockerer Atmosphäre ermöglichte es Zohra, die Eindrücke aller Teilnehmenden zu sammeln, um deren positive oder kritische Meinungen zur Ergonomie und Handhabung des Geräts besser zu verstehen.

Mit oder ohne Unterstützung von Zohra und Damiano mussten die Teilnehmenden die von der Maschine vorgegebenen Schritte befolgen: ihre Geräusche live aufnehmen (8 Sekunden lang), ihre Videos aufnehmen (8 Sekunden lang) und diese dann mit den vorab in der Maschine gespeicherten Effekten (Spiegeleffekt, Pixeleffekte, durch die Lautstärke gesteuerte Videopräsentation usw.) mischen, um ihr eigenes Mapping zu erstellen.

Live-Mapping für Studierende der ESAL

Am 29. April verbrachten fünf Studierende der Kunsthochschule ESAL einen Tag mit Zohra Mrad.

Die Studierenden, die bereits über Kenntnisse in visueller Kommunikation, Installation oder Videoproduktion verfügten, konnten durch eine konkrete Präsentation von BLURB in die Welt der audiovisuellen Performance eintauchen. Die Künstlerin bemühte sich, ihre Erklärungen an die Erfahrungen der Zuhörer anzupassen.

In diesem Sinne trug die Gesprächsrunde dazu bei, besser zu verstehen, was Live-AV (Live-Audio-Video) eigentlich ist. Dabei geht es nicht nur darum, Musik mit Videos zu begleiten, sondern eine hybride Ausdrucksweise zu schaffen, in der Klänge und Bilder live interagieren, oft über digitale Schnittstellen generiert, verändert und manipuliert werden. Live-AV lässt die Grenzen zwischen Konzert, Installation und Performance verschwimmen und wird zu einem echten Raum für zeitgenössischen künstlerischen Ausdruck.

Zohra sprach anschließend über die Rolle der Algoraves, insbesondere in den Niederlanden, als Beispiel für radikale Experimente in diesem Bereich. Auf diesen Veranstaltungen werden algorithmisch generierte elektronische Musik (die live vor den Augen des Publikums codiert wird) mit generativen visuellen Projektionen kombiniert. Die Atmosphäre ist bewusst minimalistisch und authentisch, wobei der Schwerpunkt auf der Transparenz des kreativen Prozesses liegt: Alles spielt sich vor den Augen des Publikums ab, im Sinne von Live-Coding und gemeinsamer Gestaltung des Erlebnisses.

Um diese kreative Dynamik zu veranschaulichen, nahm sich Zohra die Zeit, TouchDesigner vorzustellen, eine visuelle Software für die Programmierung in Echtzeit. Sie hat gezeigt, dass man für den Einstieg keine kostenpflichtigen oder komplexen Versionen benötigt: Die kostenlose Version reicht vollkommen aus, um interaktive, generative oder sogar szenografische Werke zu erstellen. Durch die Kombination von Daten (Audio, Video, Sensoren, Bewegung) kann der Benutzer Bilder modulieren, Effekte erzeugen und visuelle Elemente mit Live-Musik synchronisieren.

Diese Demonstration hat den Studierenden gezeigt, dass Experimente ohne Vorwissen möglich sind: Man braucht nicht erst das Programmieren zu erlernen, um Bilder oder Töne zu manipulieren, zu testen oder umzufunktionieren. Insbesondere für VJing-Künstler eröffnet dies neue Perspektiven: weg von der einfachen Projektion visueller Loops hin zu interaktiven und reaktiven Kreationen, die auf die Umgebung und den Zuschauer reagieren.

Was die Teilnehmenden besonders beeindruckte, war die Art und Weise, wie Zohra ihren eigenen Werdegang schilderte und dabei betonte, dass es oft einfache, intuitive oder sogar unkonventionelle Mittel waren, die ihr halfen, ihren künstlerischen Weg zu finden. Der Austausch entwickelte sich zu einer intensiven Erfahrung: Alle Beteiligten hatten Gelegenheit, über ihre eigenen Wünsche, Ressourcen, Grenzen und Möglichkeiten nachzudenken.

Abschluss der Residenz: Präsentation vor Publikum im Rahmen des Festivals Constellations

Zohra, Damiano und BLURB nahmen an der Partnerveranstaltung des Festivals Constellations und an den Fachtreffen vor der offiziellen Eröffnung des Festivals teil.

Die finale Ausführung des Geräts wurde allen Zielgruppen zugänglich gemacht – unabhängig davon, ob sie mit digitaler Kunst vertraut sind oder nicht. Etwa dreißig Personen haben das Gerät getestet, indem sie einfach dessen Anweisungen folgten oder sich von Zohra und Damiano anleiten ließen.

Am nächsten Tag stellten Zohra und Damiano das Tool bei den Constellations-Fachtreffen rund fünfzig anwesenden Fachleuten zur Verfügung.

Fazit zum Kunstvermittlungsprojekt

Das von Zohra und Damiano entwickelte Konzept ist sowohl ein echtes Kunstvermittlungsprojekt als auch ein Werkzeug für das künstlerische Schaffen.

Das Tool entdramatisiert die Erstellung von Mappings und macht sie für alle zugänglich. Jeder kann das Tool nach Belieben ausprobieren, entweder völlig selbstständig und intuitiv oder mit mündlicher Anleitung.

Es ist auch ein hervorragendes Lehrmittel, mit dem sich die Erstellung von Klängen und Bildern sowie die Verwendung von Programmier- und Gestaltungssoftware vermitteln lassen. Damit erfüllt es seinen ursprünglichen Zweck, da es ursprünglich für den Einsatz im Unterricht konzipiert wurde, um Kindern dabei zu helfen, ihr eigenes Mapping zu erstellen.